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Mein Sabbatjahr

 

Heute am letzten Tag des Jahres schaue ich nochmal zurück auf die vergangenen 366 Tage, ein so verrücktes Jahr. 2020 sollte mein Jahr werden, ein Jahr nur für mich, voller Freiheit, unendlicher Möglichkeiten und vor allem vieler Reisen. Ich wollte die Welt entdecken, insbesondere Asien, mindestens ein halbes Jahr dort verbringen und erst nach Hause kommen, wenn ich es wirklich will und mich das Heimweh packt. Denn bisher war jede Reise zu kurz für mich. Auch nicht nach 3 Wochen in Thailand, nicht mal nach meinem 2-monatigen-Backpacking-Abenteuer im letzten Jahr, wollte ich nach Hause. Natürlich habe ich mich auf meine Familie gefreut, doch die Reisesucht war immer größer. Darum startete ich mein Sabbatjahr nach ein paar gemütlichen, einstimmenden Wochen und dem schönsten 30. Geburtstag, den ich mir vorstellen könnte, Ende Januar mit meiner großen Reise & dem Plan viele Monate unterwegs zu sein. Voller Euphorie erkundete ich erst Singapur und Kuala Lumpur und verliebte mich unerwartet in Malaysia, was ich später auf meiner Reise unbedingt nochmal intensiver kennenlernen wollte. Danach ging es nach Bali, diese einzigartige und wundervolle kleine Insel, so vielfältig, dass so abenteuerlustige, ständig neugierige Menschen wie ich auf nur einer Insel voll auf ihre Kosten kommen. Vom Dschungel & Strand bis hin zu Vulkanen und Reisterrassen wird allein landschaftlich so viel geboten. So ist hier alles möglich und meine Zeit war einfach wundervoll: Schnorcheln mit Schildkröten, Tauchen mit Mantas, ehrenamtliche Unterstützung einer Umweltorganisation, eine Vulkanbesteigung, Sonnenaufgang mit Delfinen, ein Surfkurs und so viele besondere Begegnungen und Momente dazwischen. Dieser Ort mit einer weltweit einzigartigen Kultur, so lieben Menschen, einer köstlichen Kulinarik und traumhaften Landschaft hat es mir angetan <3 

 

 

Den wohl schönsten Ort der Insel, Ubud, das kulturelle Zentrum Balis, hatte ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Nach 7 Wochen allein wollte meine Familie mich besuchen, um diesen besonderen Ort gemeinsam zu erkunden. Leider wurde aus diesem Plan nichts. Bis zum letzten Tag hatten wir Hoffnungen, dass alles doch nicht so schlimm ist. Doch statt des gemeinsamen Urlaubs musste ich spontan einen Rückflug buchen. Alles ging so schnell, war so verwirrend und plötzlich waren all meine Pläne über den Haufen geworfen.

 

Doch der Empfang war so herzlich und schön & Familie und Zusammenhalt in dieser Zeit sowieso so wichtig. Die 6 Wochen Lockdown waren gar nicht so schlimm, waren entschleunigend mit Zeit zum Nachdenken und Sacken lassen & für all das, was wirklich wichtig ist.

 

Und Zeit neue Pläne und Vorhaben zu entwickeln. Voller Tatendrang und Vorfreude kaufte ich also Anfang Mai unseren Vani und begann den Camperausbau. Das stand auch schon länger auf meiner Bucket List und ich hatte mir nicht erträumt, dazu in diesem Jahr zu kommen. Schon der Ausbau des Campers steigerte jeden Tag meine Vorfreude Deutschland und Europa damit zu erkunden & sogar mit meinem geliebten Mann. Und so ist es manchmal gar nicht so schlimm, wenn Pläne nicht klappen. Denn vielleicht ergeben sich daraus wieder ganz neue Chancen und es wird sogar noch besser als gedacht. Unsere Tour war dann auch besonders schön, führte hauptsächlich durch Deutschland und kurz nach Frankreich, Österreich und in die Schweiz. Besonders habe ich am Vanlife die Spontanität und Reduktion genossen. Auf nicht mal 4 Quadratmetern haben wir alles, was wir brauchen. 

 

 

Ein weiteres für mich ganz besonderes Erlebnis in diesem Jahr, woran ich noch sehr lange zurückdenken werde, war meine Wanderung auf dem portugiesischen Jakobsweg. Spontan buchte ich im August einen Flug. Einen Tag später las ich in der Zeitung, dass Spanien zum Corona-Risikogebiet erklärt wurde, was mich nicht von meinem Vorhaben abhielt. Darüber bin ich besonders glücklich. Einfach nur gehen, den ganzen Tag, durch schönste Landschaft, mit ganz viel Raum für mich und all meine Gedanken. Diese Zeit hat mich nochmal in meinem Weg bestätigt und zum ersten Mal freute ich mich am Ende einer Reise nach Hause zu kommen.

 

 

Neben all diesen Highlights hatte ich zudem noch so viel Zeit für all die Dinge, die schon so lange auf meiner Liste standen, für die die Zeit bisher aber fehlte. Zeit, jedes Koch- und Backrezept auszuprobieren, die Wohnung auszumisten und mich von unnötigem Ballast zu befreien, für all die Bücher, die ich schon so lange lesen wollte, für Bastel- und Werkprojekte, zum Malen, Sport, fasten, ein paar Kurztrips, für ehrenamtliche Arbeit im Tierheim und für die Fotografie. Schon lange habe ich mich dafür interessiert und nun die Zeit für ein paar Kurse bis hin zu meinen ersten Auftrags-Fotoshootings.

 

 

Ich hätte mir keinen schlechteren Zeitpunkt für ein Sabbatjahr aussuchen können und hatte dennoch, wenn auch ganz anders als erwartet, eine so wundervolle und unvergessliche Zeit und ungeplant vielleicht sogar genau das, was ich brauchte. Nirgendwo sonst als in Deutschland hätte ich dieses verrückte Jahr am liebsten leben wollen. Und so hat all das mein ständiges Reisefieber gelindert und mein Zuhause einen viel höheren Stellenwert für mich bekommen. Natürlich freue ich mich auf kommende Reisen, aber auch darauf wieder heimzukehren. Ich konnte so viele schöne Orte in Deutschland erkunden & hatte dann doch, was ich mir erhofft hatte: so viel Zeit für mich, meine Gedanken, Wünsche und Ziele zu ordnen und dabei die Erkenntnis zu gewinnen, dass alles genau so gut ist, wie es ist. Es kommt immer auf mich selbst an, auf meine Einstellung und was ich aus einer Situation mache. Und ich denke, ich hätte meine Zeit nicht besser nutzen können.

 

Seit ein paar Wochen arbeite ich nun wieder und merke jeden Tag wie viel Energie ich in diesem Jahr tanken konnte und hoffentlich auch weiterhin noch davon zehren kann. Bis zu den nächsten Reisen - denn diese werden kommen, vielleicht anders als bisher, aber die Reiselust werde ich wohl niemals los werden :)